700 Tage

Beinahe auf den Tag genau vor dreiundzwanzig Monaten begann meine letzte, bis dato längste Reise. Die Erlebnisse dieser Reise sind in diesen Monaten kaum verblasst, die Erinnerung an die einfachsten Momente so präsent als hätte ich diese gestern erst erlebt. Wenn ich die Augen schließe finde ich mich auf dem Fahrersitz meines Astro, die Füße auf dem Seitenspiegel liegend und eine Schüssel Nudeln in den Händen haltend mein Mittagessen genießen. Mein Blick wandert über die schier endlosen Wälder und Bergketten des westlichen Kanada und das beruhigende Gefühl völliger Freiheit rundet den Moment ab.
Völlige Freiheit.
So war es nicht wirklich, es fühlte sich so an, aber ich hatte noch immer meine Wohnung und einen Job in München, und die Reise war, wenn auch eher unterbewusst, von beginn limitiert auf weniger als zwölf Monate. Am Ende wurden es ziemlich genau acht.
Ich kam zurück nach München um wieder zu arbeiten und den „normalen“ Alltag eines Menschen meines alters weiter zu verleben. Jetzt ist es natürlich nicht so einfach, vom völligen frei sein wieder in die Formen eines geregelten Alltags zu passen. Ich probierte es, arbeitete einige Monate, aber merkte schnell, dass dies nicht der Weg zu meinem Glück wird. Allerdings erkannte ich auch keinen Ausweg wie ich das Gefühl erst kürzlich vergangener Tage wieder zurück gewinnen konnte. Direkt wieder verreisen wollte ich nicht, ich dachte die Startschwierigkeiten würden sich sicher bald legen und versuchte so gut es ging wieder einen Alltag zu etablieren. Kurztrips nach Italien, Österreich und Kroatien versüßten den Sommer und schrieben ihre eigenen Geschichten.
Anfang des Jahres, meine Haupttätigkeit war nun Snowboarden, Arbeit gab es leider keine, dachte ich es wäre an der Zeit mal wieder die Bilder der alten Tage zu sichten. Ein wenig in Erinnerungen schwelgen, träumen und das Salz des Pazifiks für einige Momente in der Nase haben. Jetzt hatte ich allerdings die Wirkung von Nostalgie auf mich unterschätzt. Es kam wie ich kommen musste und kurze Zeit nachdem ich „nur ein paar Fotos“ anschauen wollte, hatte ich eine Arbeitserlaubnis für zwölf Monate für Kanada in der Hand. Soweit, so bekannt, beinahe baugleich mit beginn der letzten Reise, doch dieses mal habe ich einen Schlussstrich gezogen:
Keinen Job zu dem ich zurückkehren werde, keine Wohnung die auf mich wartet, keinen Grund die Reise zu beenden bevor ich tatsächlich angekommen bin wo ich hin will.

Das bringt uns jetzt eigentlich auch schon zum heutigen Tag, diese Zeilen entstanden auf dem ersten Flug in die große Freiheit, von Monaco nach Malmö, erstmal ein bisschen Hotel Mama, selbst der erprobteste Reisende, oder vielleicht genau der, weiß:
Es schmeckt einfach nirgends so gut wie bei Mutti.

Was nach Schweden passiert, wie lange ich bleibe oder was ich dort tue liegt im Nebel der Zukunft. Zeitnah werde ich Richtung Kanada aufbrechen, alte Freunde wieder sehen, Lieblingsorte wieder besuchen und endlich wieder Nudeln essen auf dem Fahrersitz meines Autos, während die Füße in den Abendhimmel gestreckt werden. Es ist endlich wieder so weit:
Die Freiheit hat mich wieder.

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